Kyoto ist toll. So viele verschiedene Gesichter, ganz traditionelle Viertel, das hypermoderne Bahnhofsgebäude, einfache Wohngegenden, Hoods mit hippen Cafes und Bars, Hochhäuser, teure Shoppingviertel … oder kurz: die Stadt der wunden Füße. Wir laufen jeden Meter zu Fuß, von Mittags bis Abends. Ein Shrine nach dem anderen, ein Tempel jagt den nächsten. Irgendwann ist alles information overload. Die schönen ursprünglichen Viertel auf die ich mich so gefreut habe sind leider nur halb so schön wie erhofft – nur Tourishops und Horden von Schulkindern. Zwei oder drei Geishas (oder Maikos besser) laufen uns über den Weg, in Gesicht und Nacken ganz weiss geschminkt. Ganz viele junge Frauen haben ein traditionelles Outfit gemietet und laufen durch die alten Viertel um Fotos zu machen. Ein paar westliche Mädchen hab ich auch gesehen, das sah irgendwie recht komisch aus. Ein bisschen wie Wiesn, wo alle Touris meinen, sie müssten jetzt Tracht tragen. Besonders beeindruckend bei der Anreise war der Hauptbahnhof. Ein krasses Gebäude! Wow. Mit Restaurants, Shopping, Foodcourts, Konzertarea und krasser Aussichtsplattform. Ein “happy garden” in schwindelerregender Höhe, mit Vogelgezwitscher vom Band. Abgefahren. Ich hab ja meine Höhenangst so recht gut im Griff, nur: Wenn man weiß, dass mindestens drei mal am Tag die Erde bebt, macht einem das halt schon ein wenig flaues Gefühl da droben.
Die erste Nacht schlafen wir in einem traditionellen Ryokan, direkt am Bahnhof. W. begeht gleich mal den Kapitalfehler und tritt mit den Hausschlappen auf die Tatamimatte. Ups. Die Strassenschuhe werden am Eingang in einem Schränkchen gebunkert, man schlüpft in die Hausslipper, die man dann eben auszieht, bevor man die Tatamimatten betritt. Und fürs Klo gibts extra Toilettenslipper. Mit lustigem Toilettenaufdruck. Verröckt. Bloss nicht durcheinanderkommen. Hier gibt es ein Gemeinschaftsbad, die Spiegel sind in Bodenhöhe, dazu gibts so lustige Plastikhocker zum draufsetzen. Und eine riesen Gemeinschaftsbadewanne. Erst duscht man sich ab, dann steigt man in die Wanne und zum Schluss, wenn der Dreck schön aufgeweicht ist, duscht man nochmal mit Seife und wäscht sich. Dazu gibts einen Yukata, einen dünnen und schön bequemen Bademantel, das ist praktisch. So laufen dann alle durchs Hotel. Bei all dem Badespass dann doch blöd: Das Wasser ist hier in Kyoto total verchlort. Ich hab keine Ahnung, ob das am Hotel liegt, oder an Kyoto. Heut morgen hab ich mir die Beine rasiert, nur mit Wasser, und jetzt hab ich einen riesigen Auschlag. Überhaupt ist meine Haut schlimm empfindlich. Und dann noch die blöde Hose dazu, die so schubbert.
Für die nächsten drei Nächte ziehen wir in ein Hotel im westlichen Stil und haben das erste mal seit drei Nächten ein richtiges Bett! Ich schlafe wie ein Stein. Zur Begrüßung hat mir mit Kyoto erstmal ein dickes Herpes geschenkt, kein Wunder, bei dem was ich gerade so alles in mich reinstopfe. Das mit dem Essen ist tatsächlich schwieriger als gedacht – wir können die Speisekarten ja nicht lesen und greifen lieber auf die Läden mit Bildern zurück. Dafür hab ich leckeren Vitaminsaft aus der Dose entdeckt! Als Vegetarier ohne Japanischkenntnisse kommt man tatsächlich nicht weit. Aber das ist auch völlig okay. Ich hab also in den letzten vier Tagen mehr Fleisch gegessen als in den letzten vier Jahren zusammen. Die große Überraschung dabei: ich liebe Chicken! Fried Chicken mit Garlic Sauce. Yumm. Wir haben hier auf dem Zimmer einen eigenen Heißwasserautomaten, der hält das Wasser so heiß wie man möchte und man kann immer frischen Tee trinken. Praktisch. Gestern haben wir tatsächlich einen Bioladen entdeckt (!) und ich hab mich mit Zitrone und Ingwer eingedeckt, dazu Honig und jetzt: Adieu Herpes!
Gerade als wir uns über unsere profimässigen U-Bahn Skills freuen, verfahren wir uns komplett. Auch in Kyoto gibt es unterschiedliche U-Bahn Betreiber. Besonders spannend, damit auch ja niemand sich einfach zurechtfindet: Auf den Plänen ist oben nicht unbedingt Norden. Haha! Wär ja auch zu leicht! Nach ungefähr zwei Stunden kommen wir endlich in Arashiyama an. Der Bambooforest ist dann leider wegen der ganzen Touris nicht annähernd so magisch wie auf den Bildern, die man so kennt. Außerdem regnets. Was mich echt besonders beeindruckt an Japan: Die Geschäfte haben immer offen, alle, sogar am Sonntag – Ostersonntag! Also daheim. Das wird mir bestimmt fehlen. Genauso wie die Fröhlichkeit der Leute. Hier wird so viel gelacht und Scherzchen gemacht. Wie schade, dass wir nix verstehen. Und wie cool das wohl gewesen wär, wenn wir 2011 nach dem ersten Semester Japanisch einfach weitergelernt hätten.
Die Zeit ist zu knapp für alles, mal sehen, was wir noch schaffen. Und eigentlich wär ein bisschen Ruhe zwischendrin auch ganz schön. Und überhaupt: Wieso gibt es keine Klobürsten? Und Japanische Babys sind aber schon sowas von niedlich!